Was ist der Erdkinderplan nach Montessori?

Bei Maria Montessori ist die körperliche und geistige Entwicklung in drei Phasen unterteilt, die jeweils etwa sechs Jahre dauern. Während ein Kleinkind sich in den ersten Lebensjahren stark auf seine motorische und sprachliche Entwicklung konzentriert, Regeln des Zusammenlebens und die innere Ordnung der Welt kennenlernt, werden ab etwa sieben Jahren andere Dinge wichtig.

Ein Kind setzt sich sehr intensiv und auch experimentell mit der Welt auseinander und entwickelt seinen Intellekt intensiv weiter. Und dann folgt das Lebensalter des „Erdkindes“, des jungen Mensch zwischen zwölf und 18 Jahren.

Obwohl die Lehrpläne für die Schulen in dieser Phase sehr “akademisch” sind, meint Montessori, dass Jugendliche etwas ganz anderes brauchen: Viele praktische Tätigkeiten, eine sehr handgreifliche Auseinandersetzung mit der Welt und außerdem Unterstützung dabei, sich als soziales und wirtschaftliches Wesen zu begreifen.

Natürlich hatte Montessori dazu eine Menge Maßnahmen im Sinn, um die es in den folgenden Punkten gehen wird. Am Ende des Artikels möchten wir euch außerdem ein paar Vorschläge dazu machen, wie der Erdkinderplan auch im Familienalltag zur Umsetzung kommen kann.

„Niemals darf man Jugendliche wie Kinder behandeln: Sie haben dieses Stadium verlassen, und es ist besser, sie so zu behandeln, als ob ihre Tüchtigkeit größer wäre als sie tatsächlich ist und nicht ihre Verdienste zu bagatellisieren und zu riskieren, das Gefühl ihrer Würde zu verletzten.“ 

– Maria Montessori

Erdkinderplan – Definition

Der sogenannte “Erdkinderplan” ist ein zentraler Ausschnitt aus Montessoris Buch “Von der Kindheit zur Jugend” aus dem Jahr 1948. Sie sah die Welt in einer Krise – und die Schule war unfähig, junge Menschen auf die Anforderungen des modernen Lebens vorzubereiten. 

In den Jahren der Pubertät sind außerdem auch die Jugendlichen selbst in einer Krise. Sie verändern sich, ob sie das wollen oder nicht, und müssen lernen, für sich selbst verantwortlich zu sein. Dabei sind sie ausgesprochen empfindsam, streben stark nach Annahme und Anerkennung und reagieren zugleich sehr sensibel auf alle Einschränkungen.

Es gilt also, junge Menschen, die sich in einer persönlichen Krise befinden, auf eine Welt vorzubereiten, die inmitten eines Umbruchs in wirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht steckt. Diese beiden Anforderungen hat Maria Montessori im Sinn, und kommt mit dem Erdkinderplan zu einem außergewöhnlichen Ergebnis.

Die oberste Priorität ist die Vorbereitung der Jugendlichen auf genau diese Welt, und zwar in einem sehr lebensnahen und praktischen Sinn. Es geht sehr viel darum, sich neuen Herausforderungen auszusetzen und so neue soziale, emotionale und intellektuelle Fertigkeiten zu erwerben.

Der Erdkinderplan ist ein ganzheitliches Erziehungskonzept für die Teenager-Jahre. Dabei erweist er sich jetzt, über siebzig Jahre nach der Veröffentlichung, als größtenteils zeitlos. Natürlich haben sich die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in dieser Zeit sehr verändert, aber es scheint doch, dass sie nach wie vor dasselbe brauchen wie damals:

  • Reichlich Freiheit, verbunden mit dem Gefühl, dass man ihnen etwas zutraut;
  • eine tiefe und umfassende Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, ökologischen, politischen und spirituellen Themen;
  • die Möglichkeit, die Welt der Arbeit und des gesellschaftlichen Lebens hautnah kennenzulernen;
  • das Bewusstsein, als fast erwachsene Menschen in einer Gemeinschaft anerkannt und geschätzt zu werden.

Außerdem plädiert Montessori im Erdkinderplan für reichlich Gelegenheit für Bewegung und Sport, denn schließlich braucht auch der Körper eines jungen Menschen in dieser Zeit des Umbruchs viel Aufmerksamkeit.

Welche Themen & Fertigkeiten für die Erdkinder besonders wichtig sind

Ab der beginnenden Pubertät werden junge Menschen graduell zu Vollmitgliedern der Gesellschaft. Sie müssen sich auf umfassende und ganzheitliche Weise in der Welt zurechtfinden, um auch am sozialen Leben teilhaben zu können.

Wichtige Themen im Alter der “Erdkinder” sind z.B.:

Die praktische Auseinandersetzung mit Physik und Chemie

Diese beiden Wissenschaften sieht Montessori als Grundlage unserer Zivilisation und sie möchte, dass junge Menschen wirklich begreifen worum es dabei geht. Zentral ist das intensive Erforschen von und Arbeiten mit Maschinen.

Montessori nennt aus ihrer Zeit heraus etwa Schreibmaschine, Fotoapparat, Radio und Waschmaschine. Diese Geräte sind bis heute interessant für Heranwachsende, aber wir müssten natürlich noch Computer, Handy, vielleicht auch Auto u.ä. hinzunehmen.

Beim Kennenlernen von Maschinen geht es Montessori darum, dass wir als Menschen “Herren” diese Gerätschaften bleiben und uns nicht unsererseits von ihnen beherrschen lassen – ein sehr weiser Anspruch, der im Angesicht von Künstlicher Intelligenz noch ein wenig an Brisanz gewinnt.

Das Erlernen verschiedener Sprachen

Die Sprache ist Ausdruck der Persönlichkeit selbst, so Montessori. In einer sich schon zur Entstehungszeit globalisierenden Welt ist es unerlässlich, sich auf verschiedene Weise ausdrücken zu können und verschiedene Sprachen zu erlernen.

Das Studium der Erde und der Natur

Hier zählt Montessori nur einige Wissenschaften auf, die sie für relevant hält (etwa Anatomie, Geologie und Biologie). Doch angesichts der ökologischen Krise, die sich gerade abzeichnet, sind diese Inhalte ein sehr wichtiger Teil dessen, “sich in der Welt zurecht zu finden”.

Und es ist natürlich auch kein Zufall, dass junge Menschen zwischen 18 und 21 bei Montessori “Erdkinder” heißen. 

Moralische Erziehung

Dieser etwas altmodische Ausdruck korrespondiert wohl gut mit dem, was wir heute “Ethik-Unterricht” nennen und was für viele Jugendliche höchst interessant ist.

Als gewichtiger Teil der Persönlichkeitsbildung ist es entscheidend, dass es einen Raum gibt, wo junge Menschen ihre moralischen Gefühle schulen und in Worte fassen lernen – wenn das in der Schule nicht möglich ist, dann eben zu Hause

Die Geschichte der Menschheit

Im Jugendalter wächst das Interesse an historischen Fragen oft ganz massiv. Dazu gehört einiges an Vorbildung und es ist gar nicht so einfach zu begreifen, wie anders die Welt in früheren Zeiten ausgesehen hat.

Das ist zugleich faszinierend und abschreckend, wunderbar und irritierend. Vor allem aber ist sehr, sehr wichtig um sich selbst und die eigene Zeit einordnen und verstehen zu können.

Wer bin ich eigentlich, und wer möchte ich sein?

Die Pubertät ist eine besonders sensible Phase in Hinblick auf die psychische Entwicklung. Und sie ist ganz wortwörtlich „sensibel“, da Heranwachsende oft so instabil in ihren Stimmungen und emotional so leicht verwirrbar sind. Sie möchten sich als eigenständige Persönlichkeiten etablieren, brauchen zugleich aber viel Anerkennung und empathische Zuwendung.

Sie müssen lernen, sich „in der Welt da draußen“ zu behaupten, benötigen aber den Schutz, den ihnen nur ihr vertrautes Umfeld bieten kann. Die Anforderungen der Selbstfindung sind für Montessori keine lästige Nebensache, sondern ein zentraler Bildungsinhalt. 

Der passende Platz dafür ist Selbstausdruck, bei Montessori in der Gestalt der Musik, der Sprache und der bildnerischen Kunst. Wichtig ist ihr dabei, dass es sich dabei auch um Aktivitäten in der Gruppe handelt. Im Zentrum steht außerdem die Person und nicht das Produkt.

Erwachsene Bezugspersonen (Eltern, LehrerInnen) können sich bemühen, den jungen Menschen in ihrer Obhut reichlich Input zu sozialen und ökologischen Fragen zu liefern und sie so immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

Gleichzeitig sind Träume und Fantasien ein wichtiges Vehikel, um aktiv zu werden und sich weiterzuentwickeln.

Aus heutiger Perspektive kann man vielleicht sagen: Es gibt sehr viele Formen des Selbstausdrucks (neben den von Montessori genannten auch Tanz, Video- und Fotokunst, Mode, Graffiti, Design, uvm.). Es gibt weniger auf das Medium an als darauf, dass ein Kind sich in einem geschützten Rahmen ausprobieren darf und in dem seine Versuche respektiert werden.

Junge Menschen sind außerdem extrem sensibel für ihr Verhältnis zur Gesellschaft. „(D)ie Gefühle für die Gerechtigkeit und persönliche Würde entwickeln“ sich und der Idealismus ist groß. Auch dafür muss es Platz geben und der Wunsch nach einer besseren Welt darf nicht als jugendliche Naivität abgetan werden.

Was kann ich in der Welt da draußen tun?

Ein „Erdkind“ soll sich keineswegs nur intellektuell mit seiner Umwelt auseinandersetzen. Ein Kind in diesem Alter hat ja eine enorm wichtige Aufgabe vor sich: Es muss herausfinden, auf welche Weise es einmal seinen Lebensunterhalt verdienen möchte.

Maria Montessori plädiert dafür, junge Menschen sich in erster Linie ausprobieren zu lassen, denn niemand kann von der Schulbank aus entscheiden, ob eine bestimmte Laufbahn für ihn/sie geeignet ist. Der Erdkinderplan sieht eine Reihe von Praktika vor, in denen verschiedene handwerkliche und schöpferische Berufe kennengelernt werden sollen. 

Montessori schlägt vor, dass die Erdkinder die Arbeit auf einem Bauernhof, in einem Gasthaus und in einem Geschäft kennenlernen und dabei so viel Verantwortung wie möglich übernehmen sollen.

Das ist natürlich nicht leicht umsetzbar, deshalb wird in vielen Montessorischulen darauf ausgewichen, selbst Gartenbau und Landwirtschaft zu betreiben. Die Produkte dieser Arbeit und diverse Dienstleistungen (etwa Hilfe in Haus und Garten) bieten die Kinder dann für ein angemessenes Entgelt an und lernen so gleich noch den Umgang mit Finanzen.

Am Ende erwerben Kinder eine Vielzahl an praktischen Kompetenzen. Das stärkt einerseits ihr Selbstvertrauen, wenn sie sich in der Welt der Erwachsenen bewegen. Andererseits erleben sie Arbeit aus erster Hand und können gut einschätzen, wo ihre Stärken liegen und in welchem Metier sie sich spezialisieren möchten.

Den Erdkinderplan zu Hause umsetzen

Dieser allzu verständliche Wunsch sieht auf den ersten Blick aus wie ein Widerspruch. In der dritten Entwicklungsphase geht es ja gerade darum, dass der junge Mensch sich als gesellschaftliches Wesen entfaltet. Er muss lernen, auch außerhalb und ohne den ständigen Schutz seiner Familie zurechtzukommen und seinen Platz in der Welt finden.

Doch der Widerspruch ist nur ein scheinbarer: Psychologisch gesehen kann dein Kind außerhalb der Familie nur so selbstsicher, integer, frei und mutig sein, wie es das auch innerhalb der Familie ist.

Das heißt vereinfacht, dass du deinem Kind den Respekt entgegenbringen musst, den du dir für es wünschst. Ein junger Mensch, der sich zu Hause unterordnen muss, wird sich nur unter großen Schwierigkeiten draußen in der Welt behaupten können.

Deshalb ist das sichere Zuhause, gemeinsam mit der Schule, das wichtigste Übungsfeld für gesellschaftliches Engagement und eine offene Lebens- und Gesprächskultur. Wenn dein Kind langsam zum Heranwachsenden wird, gilt es, anders mit ihm umzugehen und ihm neue Herausforderungen zu bieten als bisher.

Diese und ähnliche Maßnahmen können deinem Kind und dir helfen, in die neue Rolle hineinzuwachsen:

Echte Arbeit für die Gemeinschaft leisten

Egal, wie euer Familienmodell aussieht und wer aller zu eurer kleinen Community gehört (Großeltern, NachbarInnen, Stiefgeschwister oder Wahlverwandte): Kinder wollen als Vollmitglieder dieser Gemeinschaft leisten und etwas beitragen. In der Pubertät wird dieser Beitrag extrem wichtig für den Selbstwert und das Rollenverständnis eines jungen Menschen.

Wo du dein Kindergarten- oder Schulkind noch mit Bedacht in bestimmte Tätigkeiten (Boden putzen, Gemüse schneiden oder trockene Blätter zusammenrechnen) involviert hast, kannst du einem Teenager viel mehr Verantwortung zutrauen.

  • Das Abendessen für die ganze Familie kochen? Kein Problem.
  • Alleine den Wocheneinkauf erledigen?
  • Eine Ecke des gemeinsamen Gartens nach den eigenen Vorstellungen gestalten?
  • Das Wohnzimmer in einem neuen Farbton ausmalen? Aber sicher.

Kaum etwas ist im “Erdkinder”-Alter so wichtig wie sich ernst genommen fühlen.

Je mehr ein Kind von sich aus zum Zusammenleben beitragen darf, desto schneller lernt es auch, zu einer verantwortungsvollen und eigenständigen Person zu werden.

Die weite Welt nach Hause holen

Als Heranwachsende müssen Menschen vor allem lernen, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen möchten, wie sie sich verhalten sollen und was den Kern ihrer Persönlichkeit ausmacht. Das können sie auch in den eigenen vier Wänden tun, wenn sie dort mit den unterschiedlichsten Menschen Umgang pflegen.

Wenn du zum Beispiel FreundInnen oder Bekannte zu Besuch hast, dann lade dein Kind ein, an den Gesprächen und Mahlzeiten teilzunehmen und sich einzubringen. Je vielfältiger euer Bekanntenkreis ist, desto mehr erfährt es darüber, wie unterschiedliche Menschen leben und handeln.

In dieser Auseinandersetzung erfährt es außerdem auch einiges darüber, wie es selbst leben möchte, und das kann und darf ja anders sein als das in eurer Familie der Fall ist.

Erste Arbeitserfahrungen ermöglichen

Weil die Suche nach der richtigen Profession für Heranwachsende so wichtig ist, solltest du deinem Kind auch verschiedene Erfahrungen in der Arbeitswelt ermöglichen.

Das passiert zwar nicht im strengen Sinne “zu Hause”, aber Familie und FreundInnen können einen geschützten Rahmen bieten, in dem dein Kind erlebt, was Erwerbsarbeit bedeutet und welche verschiedenen Gesichter sie haben kann.

Vielleicht kann dein Kind dich, deinen Partner/deine Partnerin, seinen Onkel oder eine Freundin der Familie in die Arbeit begleiten und dort ein kleines Praktikum machen. Diese Gepflogenheit ist in Deutschland ja grundsätzlich weitverbreitet und sehr viele Betriebe und Organisationen ermöglichen ein solches Praktikum gerne.

Teilhabe geht auch über Medienkonsum

Der mediale Zugang zur Welt ist neben der direkten Erfahrung ein sehr wichtiger Ort der Partizipation für junge Menschen. In diesem Alter interessieren sich Kinder oft sehr intensiv für Filme, Serien, soziale Medien, Musik u.ä.

Es ist sehr wichtig, dass sie dabei selbstständig im Internet surfen und sich interessante Inhalte erschließen dürfen.

Achte aber auch darauf, dass ihr gemeinsam Medien konsumiert, etwa gemeinsam fernseht oder ins Kino geht und nachher über das Gesehene sprecht. Das ist für dein heranwachsendes Kind dann eine sinnvolle und vergnügliche Angelegenheit, wenn ihr GesprächspartnerInnen auf Augenhöhe sein könnt.

Belehrungen sind eher fehl am Platz, nicht zuletzt deshalb, weil die Medienkompetenz von jungen Menschen ohnehin oft sehr hoch ist. Trotzdem brauchen sie Anleitung, wenn es darum geht, mediale Inhalte einzuordnen und zu beurteilen und das geht natürlich am besten über offene und wertschätzende Diskussionen

Selbstausdruck fördern und wertschätzen

In der Pubertät begreift ein Kind erstmals, wie wichtig das ist, was wir „Persönlichkeit“ nennen und auch, auf welche Weise wir diese Persönlichkeit ausdrücken und damit andere Menschen berühren können. Zugleich ist in diesem Alter überhaupt nicht klar, was diese unsere Identität genau ist und deshalb müssen junge Menschen viel ausprobieren.

Mit Musik, sprachlichem Ausdruck und bildender Kunst nennt Montessori einige Übungsfelder zur Selbstfindung, in denen es kein Richtig und Falsch gibt. Es ist wunderbar für ein Kind, wenn der ungezwungene ästhetische Ausdruck auch im Familienleben Platz hat und Eltern und Geschwister sich aufrichtig dafür interessieren. Allerdings kann man diesen Selbstausdruck kaum anordnen.

Vielmehr braucht es viel Raum und laufende Inspiration, damit ein Kind auch Lust dazu bekommt. Ideal ist es, wenn ihr gemeinsam musiziert oder verschiedene “Sprachspiele” spielt oder wenn dein Kind zumindest erlebt, dass es dafür Raum gibt und es sich so ausdrücken kann, wie es möchte, ohne beurteilt zu werden.

Inspiration lieferst du deinem Kind am besten in Form von abwechslungsreicher musikalischer Beschallung, aber auch in Form von Büchern, Filmen, Serien oder Ausstellungen, die ihr mitunter auch ganz demokratisch auswählen könnt, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist.

Entscheidungen gemeinsam treffen

Eine Familie ist keine Demokratie, das ist schon klar. Doch sie bietet trotzdem einen wunderbaren Rahmen, um demokratische Werte in der Praxis zu erlernen: gegenseitiger Respekt, Offenheit und ein ständiger Diskurs über Themen, die die Gemeinschaft betreffen.

Dinge, die das Leben deines Kindes oder die ganze Familie zusammen betreffen, könnt ihr ausführlich besprechen und gemeinsam planen und organisieren. Das betrifft natürlich die Wahl der Schule bzw. des Ausbildungsplatzes für dein Kind, aber auch Familienurlaube, Anschaffungen für das gemeinsame Zuhause und sogar solche scheinbaren Kleinigkeiten wie das Abendessen oder die Mülltrennung.

In einer so diskursiven Gesprächskultur ist es zunächst wichtig, dass alle ihre Meinung sagen dürfen und ihnen zugehört wird. Wenn du hinterher auf einen Vorschlag deines Kindes nicht eingehst oder dich lieber anders entscheidest, sag ganz offen, warum du das tust und was du dir dabei denkst.

Das ist ein autoritativer Umgang mit der Macht, die du als Elternteil selbstverständlich hast. Auf diese Weise lernt dein Kind nicht nur wichtige Gesprächs- und Entscheidungskompetenzen, ihr könnt auf diese Weise auch so manchen Eltern-Kind-Konflikt vermeiden.

Konstruktiv streiten

Alle Konflikte könnt ihr auf diese Weise aber nicht umschiffen, und das ist auch richtig so. Maria Montessori vergleicht die Pubertät nicht umsonst mit den ersten Lebensjahren. In beiden Entwicklungsphasen befindet sich das Gehirn sozusagen im Umbau – Impulsivität und Kurzschlusshandlungen sind dabei vorprogrammiert.

Die Pubertät ist außerdem so etwas wie eine zweite Autonomie-Phase: Es geht sehr oft “ums Prinzip”. Dein Kind möchte für sich selbst entscheiden, weil es lernen muss, als eigenständige Person agieren zu können. Dabei gerät es, wie früher als Zwei- oder Dreijähriges, natürlich in Konflikt mit deinen Werten und Erwartungen.

Das ist völlig normal und gesund. Wichtig ist nur, wie ihr den Konflikt dann löst. Nach dem Montessori-Grundsatz “So viel Freiheit wie möglich, so viele Grenzen wie nötig musst du natürlich in bestimmten Situationen ein Machtwort sprechen. Die kommen aber viel seltener vor als gedacht: Dann nämlich, wenn es um das Leben und die körperliche und seelische Gesundheit deines Kindes geht.

Siehe dazu auch: „Freiheit und Grenzen in der Montessori Pädagogik

Wenn du ein verständnisvolles Gegenüber bleibst, wird dein Kind seine Entscheidungen eher mit dir besprechen und auch offen für konstruktive Kritik bleiben – auch dann, wenn es nicht um Leben und Tod geht. Eine sinnvolle Grundlage für eine respektvolle Gesprächskultur ist etwa die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg.

Siehe dazu auch: „Kommunkation mit Kinder nach Montessori

Über die Autorin

Ich bin Susannah und schreibe für diesen wunderbaren Blog. Als Erziehungswissenschaftlerin und Mama suche ich stets nach Wegen, wie der Alltag mit Kind sich ruhig und authentisch gestalten lässt. Montessori kann hier viele großartige Impulse liefern, aber man darf sie auch ein wenig „gegen den Strich bürsten“ und zeitgemäß interpretieren. Ich habe die Hoffnung, dass der eine oder andere Artikel hier im Blog zu einem „Hilf mir, es selbst zu tun“ für Eltern werden kann.

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