Montessori & Weihnachten: Lässt sich das überhaupt vereinbaren?

Für viele Kinder (und auch Erwachsene) ist der Zauber des Weihnachtsfestes so unwiderstehlich, dass es den Höhepunkt im Jahreskreis darstellt. Viele Erwartungen und Hoffnungen sind damit verknüpft – doch das schafft auch Druck und Stress und viele Familien sind von den Festivitäten letztlich überfordert. 

Für Kinder ist die Intensität von Weihnachten oft schlichtweg zu viel und so kann es sein, dass zwar alle Wünsche erfüllt sind, aber die Ruhe und der Raum dazu fehlen, Weihnachten wirklich zu genießen. 

Aus dem Montessori-Gedankengut können wir nicht nur für den Alltag, sondern auch für das Nicht-Alltägliche (wie es Weihnachten ja ist) Inspiration finden und uns leiten lassen.

Wie könnte ein Weihnachten aussehen, das von Respekt für Kinder, Erwachsene, Tiere und Pflanzen geprägt ist? Wie wäre es, wenn das Weihnachtsfest in der Familie mit tiefer Ruhe, Achtsamkeit und authentischer Freude ablaufen könnte? Ist es möglich, mit Kindern ein schlichtes, einfaches Fest zu feiern, das ihnen vielleicht sogar eine wichtige Botschaft vermittelt?

Einige Grundsätze für ein Weihnachten im Sinne Montessoris

Die Kinder involvieren, wo es nur geht

Der immense Stress, den Weihnachten für viele Eltern und andere Bezugspersonen bedeutet, hat auch mit diesem großen Anspruch zu tun: Für Kinder das perfekte Weihnachtsfest, die perfekte Illusion zu schaffen und dabei verhindern zu müssen, dass die Kleinen hinter die Kulissen sehen. Diesen Anspruch kannst du in dieser Minute loslassen, denn der Zauber geht für dein Kind nicht verloren, wenn es mitbekommt, wie der Weihnachtsbaum ins Haus getragen wird und die Geschenke verpackt werden. 

Grundsätzlich kannst du dein Kind in jede Tätigkeit und jede Arbeit einbinden, die rund ums Fest zu erledigen ist. Gemeinsam den Weihnachtsbaum schmücken und Geschenke verpacken? Eine Übung in Kreativität! Kekse backen und Leckereien vorbereiten? Die absolute Lieblingsbeschäftigung vieler Kinder!

Das Haus weihnachtsfein machen, putzen und schmücken? Ein gemeinschaftliches Projekt! Auf diese Weise fühlt sich dein Kind involviert und ernst genommen und kann schon in sehr jungen Jahren lernen, dass der Zauber eines gemeinsamen Zieles, dem alle intensiv entgegen arbeiten, kaum zu übertreffen ist. 

Das Einfache und Selbstgemachte vorziehen

So schön und festlich die Fülle an Lichtern, Weihnachtsbaumschmuck, Geschenken, weihnachtlichen Klängen und Leckereien auch ist, sind besonders Kinder oft sensorisch überwältigt und können ihre vielen Eindrücke nicht mehr verarbeiten. Vielleicht hast du in deiner Familie auch schon einmal einen berüchtigten Weihnachts-Meltdown erlebt, während dessen ein Kleinkind verzweifelt weinend vor einem Geschenkeberg stand und sich nicht mehr beruhigen konnte?

Damit euer Weihnachtsfest möglichst ruhig und friedvoll verläuft, solltest du auf Reduktion und Langsamkeit setzen. Sorge für sanftes (Kerzen-)Licht, ruhige Musik oder gemeinsames Singen, wenig hochqualitativen Weihnachtsschmuck und ein köstliches Essen, das sättigt und möglichst selbstgemacht ist. 

Wie viele Geschenke euer Kind am Weihnachtsabend bekommt, solltest du entscheiden und vielleicht einige Geschenke für die nächsten Tage zur Seite legen. Insgesamt ist es natürlich ratsam, die Geschenkeflut zu reduzieren und altersgemäß anzupassen. Für ein zwei- oder dreijähriges Kind etwa sind drei neue Spielsachen am Weihnachtsabend weitaus genug.

Ein Zuviel bewirkt nur, dass sich dein Kind nicht mehr konzentrieren kann und am Ende gar nicht zum Spielen kommt.

Was und wie soll ich schenken?

Im Sinne der Montessori-Pädagogik kann es hier nur eine Antwort geben: Wenige und mit Bedacht ausgewählte Geschenke. Die halbe Arbeit beim Aussuchen ist schon erledigt, wenn du dein Kind genau kennst und beobachtest und dich fragst, was es gerade für seine Entwicklung und Lebensfreude braucht.

Das bedeutet überhaupt nicht, dass du jeden Wunsch erfüllen musst. Ein schönes Geschenk kann auch edukativ sein und dein Kind sanft dazu anregen, sich mit neuen Dingen zu beschäftigen. Wenn du einen kleine Sportmuffel zu Hause hast, kann z.B. ein neuer Schlitten zum Rausgehen animieren. Ein Kind, das sich viel mit sich selbst beschäftigt, braucht vielleicht ein Brettspiel, das man nur mit anderen spielen kann.

Überleg außerdem, ob du neben dem einen oder anderen Päckchen nicht noch einen Ausflug, Theater- oder Kinokarten, einen interessanten Kurs o.ä. verschenken möchtest.

Falls Du noch auf der Suche nach Ideen für ein Geschenk bist, dann findest du in unserem Geschenke-Guide für Weihnachten vielleicht ein passendes Montessori inspiriertes Spielzeug.

Wenn du dein Kind auf diese bedachte Weise beschenkst, kann es sein, dass bestimmte Weihnachtswünsche unerfüllt bleiben. Dann soll es unbedingt auch Raum für Enttäuschung und Tränen geben, denn die Vorfreude hat oft ein Bild von Weihnachten entstehen lassen, mit dem die Realität nicht mithalten kann.

Kein Kind ist verpflichtet, mit seinen Geschenken überglücklich zu sein – aber es wird sich an den „falschen“ Geschenken eher freuen können, wenn es seinem Frust ein wenig Luft lassen kann. Du bist als Bezugsperson umgekehrt frei, zu verschenken, was du eben für richtig hältst.

Eine weitere Herausforderung sind die Geschenke der Verwandtschaft. Am besten, du gibst allen Großeltern, Onkels und Tanten frühzeitig Bescheid, dass ihr die Geschenkeflut reduzieren wollt und zeigst ihnen, womit sie dein Kind nachhaltig erfreuen können.

Erzählen, erklären, ergründen

Weihnachten steht in der europäischen Tradition vor allem für eine Vielzahl an Geschichten, Legenden, Liedern und Metaphern. Nutze die Weihnachtszeit für gemeinsame Gespräche, gemütliche Leseabende und tiefschürfendes Philosophieren – schon recht kleine Kinder sind echte Meister darin. 

Weihnachten wirft eine ganze Menge Fragen auf, und das ist eine wunderbare Gelegenheit, respektvoll mit deinem Kind zu diskutieren und ihm nahe zu bringen, wieso Weihnachten eigentlich gefeiert wird. Geschichten und Bilderbücher sind oft die besten Mittel, um dem Geheimnisvollen und Wundersamen auf die Spur zu kommen. 

Zugleich sind sie Ausgangspunkt für authentische Gespräche darüber, wie ihr die Welt wahrnehmt und deutet. 

Oft treffen Kinder mit ihrem entwaffnend klaren Denken genau unsere eigenen Unsicherheiten, und dann sind wir geneigt, auszuweichen oder das Gespräch zu beenden. Im Sinne der Montessori-Pädagogik bleibst du aber während dieses spannenden Austauschs auf Augenhöhe und sprichst über deine eigenen Zweifel oder sagst auch mal: “Das weiß ich nicht!”

Wenn du deinem Kind die religiösen Inhalte des Weihnachtsfestes näher bringen möchtest, sind Geschichten und Erzählungen, aber auch Bilder und Lieder fast unerlässlich, denn mit dem Weihnachtswunder begeben wir uns immer auf sehr mysteriöses Terrain. Wichtig ist, dass dein Kind die christliche oder “weihnachtliche” Weltsicht als wunderbare Möglichkeit empfindet, mit der es sich selbst auseinandersetzen kann und die ihm nicht aufgezwungen wird.

Die Freude an der Gemeinschaft pflegen

Oft ist die Weihnachtszeit so stressig, dass kaum Zeit dafür bleibt, einander nahe zu sein und sich gemeinsam zu freuen. Diese Gelegenheiten sind es aber, die für dein Kind zählen – viel mehr als die perfekte Weihnachtsdeko oder die elaborierten Kekssorten, und viel, viel mehr als die teuren Geschenke. 

Versuche also, Terminstress und überhöhte Ansprüche soweit als möglich zu reduzieren, damit ihr Zeit für gemeinsame Aktivitäten habt. Auch dafür brauchst du keine großen Vorbereitungen zu treffen: ein paar Kerzen, eine Kanne Tee und Weihnachtslieder sind mehr als ausreichend, um die Atmosphäre zu verzaubern.

Stelle auch bei eurem Weihnachtsfest das Beisammensein ins Zentrum und versuche, an diesem besonderen Abend ganz präsent bei deinem Kind zu sein.

Mit Verantwortung für die Erde feiern

Der Konsumgipfel findet jeweils zum Ende des Jahres statt – das Weihnachtsgeschäft sucht seinesgleichen und übertrifft sich mit jedem Jahr noch selbst. Das schließt Berge an Müll, Millionen an entsorgten Weihnachtsbäumen und leider auch eine Menge an unnützen Geschenken ein. 

Dabei wäre Weihnachten eine wunderbare Möglichkeit, die Verbundenheit des Menschen mit seiner Umwelt zu feiern – zum Beispiel, in dem man sich um die Tiere sorgt, die im Winter nach Nahrung suchen und sich für einen lebenden Weihnachtsbaum oder eine hochwertige Attrappe (z.B. aus Holz) entscheidet. 

Hast du eigentlich gewusst, dass die ersten Weihnachtsbäume von den Franziskanern im 13. Jahrhundert geschmückt wurden, die dazu Kerzen an lebenden Bäumen im Freien anbrachten? Womöglich kann sich ja auch deine Familie für eine Wald- oder Gartenweihnacht im Freien begeistern! 

In diesem Artikel stellen wir Dir einige tolle Aktivitäten zu Weihnachten vor, die nichts mit Geschenken zu tun haben: „5 weihnachtliche Aktivitäten im Sinne Montessoris“

Beim Weihnachtsschmuck greift ihr am besten zu Altbewährtem. Weil Weihnachten ja nur einmal im Jahr kommt, freuen sich viele Kinder besonders darauf, den Baumschmuck vom letzten Mal wieder auszupacken. Wenn es trotzdem mal etwas Neues sein soll, könnt ihr den Schmuck selbst basteln oder im Internet oder am Flohmarkt nach Einzelteilen aus zweiter Hand stöbern. 

Geschenke werden am besten mit Bedacht ausgewählt, damit sie lange Zeit erfreuen, und dann ressourcenschonend verpackt. 

Und auch beim Weihnachtsessen kann man sehr gut auf Nachhaltigkeit, regionale Produktion und hohe Qualität achten. Das ist gelebte Kosmische Erziehung und zugleich ein äußerst liebevolles und weihnachtliches Handeln.

Keine Angst vor neuen Traditionen

Viele Menschen haben sehr klare Vorstellungen davon, wie das Weihnachtsfest ablaufen soll und welche Bestandteile es unbedingt haben muss. Aber oft passen diese Vorstellungen nicht unbedingt mit den Bedürfnissen von Kindern und Familien zusammen. Deshalb muss es in Ordnung sein, wenn ihr gewisse Traditionen aufgebt, damit sich Weihnachten für euch stimmiger anfühlt.

Das kann der ethisch motivierte Verzicht auf den Weihnachtsbaum oder die Weihnachtsgans sein; vielleicht heißt es aber auch, dass ihr an Weihnachten auf Verwandtenbesuche verzichtet, weil das Programm ohnehin dicht genug ist. Manche Familien schwören darauf, die Bescherung schon am 24. Dezember morgens losgehen zu lassen, sodass entspannt der ganze Tag zum Feiern, Singen und Spielen genutzt werden kann.

Andere wollen womöglich den Heiligabend sausen lassen und stattdessen am 25. Dezember feiern. So manche Familie hat die Bescherung schon ins Freie verlegt; andere feiern im Freundeskreis und sparen die Bescherung zu Hause ein. Und ganz andere Familien versuchen, dem ganzen Trubel zu entgehen und verreisen zu Weihnachten. Vielleicht seid ihr zu Weihnachten lieber faul oder entdeckt plötzlich, dass die Christmette eine willkommene Abwechslung darstellt.

Lasst euch von Büchern und Filmen inspirieren und vor allem auch die Kinder mitentscheiden bei der wichtigen Frage: Wie wollen wir feiern?

Soll Weihnachten einen religiösen Charakter haben?

Hier gehen auf jeden Fall die Bedürfnisse und Ansichten der Familie vor.

Es spricht auf aus Sicht der Montessori-Pädagogik nichts gegen eine religiöse Erziehung. Tatsächlich war Maria Montessori selbst eine recht fromme Katholikin. Das gemeinsame Beten war in den Case dei Bambini ein fester Bestandteil des Gemeinschaftslebens. Und auch Montessoris „Kosmische Erziehung“ hat einen entschieden christlichen Anstrich, der sich aber weltoffen und interreligiös zeigt. Doch muss das montessorische Gedankengut stets an den Zeitgeist angepasst werden.

Ihr könnt auf respektvolle und kindgerechte Weise Weihnachten feiern und dabei auf Weihnachtsgeschichte und Krippenfiguren verzichten. Doch ähnlich wie in der Kosmischen Erziehung finden sich auch in unseren traditionellen Weihnachtsbräuchen Werte und Botschaften, die auch jenseits einer christlichen Erziehung Bedeutung haben. Als „Fest der Liebe“ wird Weihnachten ja weltweit von Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen gefeiert und geschätzt.

Es gehört aber jedenfalls zu einem offenen und ehrlichen Umgang, deinem Kind zu erklären, warum Weihnachten gefeiert wird und woher dieser wunderbare Brauch kommt. Bei dieser Gelegenheit kannst du auch ganz ruhig beschreiben, was du persönlich glaubst und nicht glaubst und dass der Glaube die Angelegenheit des/r Einzelnen ist und respektiert werden sollte.

Soll ich meinem Kind die Wahrheit über den Weihnachtsmann erzählen?

Wenn du einen respektvollen Umgang mit deinem Kind pflegst, ist einer deiner wichtigsten Grundsätze wohl absolute Ehrlichkeit. Und die Geschichten von Christkind, Weihnachtsmann und Nikolaus sind zwar zauberhaft, aber natürlich auch unwahr. Allerdings haben gerade Kleinkinder selbst einen sehr vielschichtigen Zugang zu Realität und Fantasie und können durchaus damit umgehen, dass manche Dinge nur in einem gewissen Sinn wahr sind.

Wenn Christkind & Co. für dich liebgewonnene Elemente eines gelungenen Weihnachtsfestes sind, kannst du selbstverständlich auch dein Kind damit beglücken. Das bedeutet aber nicht, dass du ihm Märchen erzählen oder es täuschen musst. Du kannst mit vorsichtig positiven Begriffen beschreiben, was die magischen Gestalten rund um Weihnachten für dich bedeuten, ohne deinem Kind diese Geschichten aufzuzwingen.

Dabei ist es auch gar nicht nötig, dass der Weihnachtsmann die Geschenke bringen muss. Auch die liebevolle Sorgfalt, mit der Eltern das passende Geschenk für ihr Kind auswählen, hat eine sehr beglückende Qualität. Das Interessante ist nämlich: die Erkenntnis, dass es den Weihnachtsmann oder das Christkind nicht wirklich gibt, nimmt dem Weihnachtsfest keineswegs seinen Zauber. Wir sagen auch: Kinder haben eine hohe Ambiguitätstoleranz.

In der sogenannten „magischen Phase“ zwischen circa zwei und sieben Jahren erzählt ein Kind vielleicht alle möglichen und unmöglichen Geschichten, hat ein unsichtbares Haustier oder eine erfundene Freundin. Es kann dabei Wirklichkeit und Fantasie grundsätzlich auseinander halten, aber es genießt die Möglichkeiten der eigenen Vorstellungskraft – und modifiziert auf diese Weise das eigene Erleben und die emotionale Qualität seiner Erfahrungen.

Es kann also gut sein, dass dein Kindergartenkind genau weiß, dass es das Christkind nicht wirklich gibt, sich aber trotzdem an der Idee freuen kann. Die Ästhetik des Weihnachtsfeste lädt ja auch dazu ein, Geschichten zu spinnen und der Wirklichkeit einen golden glänzenden Anstrich zu verpassen.

Über die Autorin

Ich bin Susannah und schreibe für diesen wunderbaren Blog. Als Erziehungswissenschaftlerin und Mama suche ich stets nach Wegen, wie der Alltag mit Kind sich ruhig und authentisch gestalten lässt. Montessori kann hier viele großartige Impulse liefern, aber man darf sie auch ein wenig „gegen den Strich bürsten“ und zeitgemäß interpretieren. Ich habe die Hoffnung, dass der eine oder andere Artikel hier im Blog zu einem „Hilf mir, es selbst zu tun“ für Eltern werden kann.

Über das gesamte Montessori-Kinder Team erfährst Du auf der Über uns“ Seite