Um kindgerecht nach Montessori zu erziehen, reicht eine sorgsam vorbereitete Umgebung mit liebevoll ausgewählten Materialien nicht aus.
Vor allem musst du als Mutter oder Vater auf einen neuen, betont respektvollen und ruhigen Erziehungsstil vorbereiten, dem ein ganz spezielles Menschenbild zugrunde liegt. Das geht für den Anfang am allerbesten über Literatur – gerne über Montessoris eigene Schriften, aber auch über die Fülle an Ratgebern, die auf dem Markt zu finden ist.
Du findest hier eine Auswahl der besten Bücher zur praktischen Umsetzung der Montessori-Pädagogik im Familienalltag.
Montessori Buch Empfehlungen
Claudia Schäfer – Montessori für zu Hause
Dieser fundierte Ratgeber ist einer der ersten im deutschsprachigen Raum, der die Montessori-Pädagogik speziell auf das Leben in der Familie ummünzt. Er nimmt dabei die Konflikte und Ansprüche, denen Eltern im 21. Jahrhundert ausgesetzt sind sehr ernst und bleibt Maria Montessoris Idealen doch sehr treu.
Daher wird zuallererst auch in das Leben und Werk der Grande Dame der Erziehung eingeführt. Schäfer fasst auch ihr Menschen- und Kindheitsbild anschaulich zusammen – das ist wichtig, weil auch die konkreten Methoden nur auf dieser Grundlage funktionieren können. Der praktische Teil des Ratgebers zeigt sich sowohl umfassend als auch konkret und versammelt viele nützliche Tipps zur Gestaltung der vorbereiteten Umgebung, zur Kommunikation und zum Umgang mit Konfliktthemen.
Sehr nah an den Idealen Maria Montessoris
Und zuletzt geht es auch auf sehr ehrliche Weise um die Grenzen der Montessori-Pädagogik und um den Punkt, ab dem Eltern sich selbst vertrauen und sich eigene Gedanken machen müssen. Schäfer möchte Eltern in einer so herausfordernden Zeit ermutigen, sich selbst und ihren Kindern mehr zuzutrauen.
Als studierte Erziehungswissenschaftlerin denkt sie Montessoris Ideen und Ideale mühelos weiter und überträgt sie auf zeitgemäße Familienkonstellationen. Mitunter greift sie aber auch ein wenig über das Thema hinaus und versteigt sich in Spekulationen.
Das Buch darf trotz Schäfers akademischen Backgrounds nicht als „streng wissenschaftlich“ bezeichnet werden, und vor allem ihre Aussagen zu medizinischen Fragen müssen mit etwas Vorsicht genossen werden.
Simone Davies – Montessori für Eltern
Dieses Buch versammelt die ganze Fülle an Ideen, Tipps und Erfahrungswerten der Montessori-Pädagogin und Bloggerin Simone Davies, die ihre eigenen Kinder nach Montessori erzieht. Das 300 Seiten starke Buch ist von äußerst liebevoller Gestaltung, voller aufmerksamer kleiner Illustrationen und kluger Tipps. Er ist deshalb auch ein besonders schönes Geschenk für (werdende) Eltern und Familien.
Allerdings soll diese „schicke“ Aufmachung nicht darüber hinwegtäuschen, dass Simone Davies eine echte Fachfrau mit sehr vertieften pädagogischen Kenntnissen ist. In ihrer eigenen Arbeit unterstützt sie vorwiegend Familien dabei, einen kindgerechten Alltag zu pflegen und respektvoll miteinander umzugehen. Ihr Buch hat sie in viele kleine, leicht verdauliche Kapitel unterteilt, die aus einer Mischung von konkreten Tipps für den Alltag und erzieherischen Grundsätzen bestehen.
Wie Kleinkinder achtsam und selbstständig aufwachsen
Beginnend mit Aktivitäten im Montessori-Stil für kleinere Kinder und Anregungen für ein kindgerechtes Zuhause handelt sie auch so schwierige Themen wie die Förderung von Neugier, Verantwortung und Kooperation. Zuletzt macht eine Sammlung von Einblicken in den Alltag sogenannter „Montessori-Familien“ Mut, es auf die ganz eigene Weise zu versuchen.
Um zu sehen, ob dir Simone Davies Erziehungs- und Schreibstil gefällt, kannst du ja versuchsweise in ihrem Blog themontessorinotebook.com schmökern. Wie dieser ist auch ihr zeitgemäßer, liebevoller Ratgeber eher für Eltern von jüngeren Kindern bis ins frühe Grundschulalter geeignet.
Maria Montessori – Praxishandbuch der Montessori-Methode
Nachdem Maria Montessori die theoretischen Grundlagen ihrer Arbeit in verschiedenen Schriften dargelegt hatte, fiel die praktische Umsetzung vielen Menschen anfangs schwer. Montessori veröffentlichte dann dieses Handbuch, das eine Vielzahl an praktischen Übungen für den Alltag und die intellektuelle Anregung von Kindern bis ins Vorschulalter versammelt.
Die Beschreibungen sind recht detaillierte Anleitungen zur Verwendung von originalen Materialien, aber auch für einfache Übungen wie das selbstständige Anziehen u. ä. Und darüberhinaus erhältst du auch einige theoretische Einblicke, wenn auch in reduzierter Form.
Insofern ist das Handbuch als auch Montessori-Erstlektüre geeignet, wenn es dir vor allem um den konkreten Umgang mit deinem Kind geht. Du wirst auf jeden Fall davon profitieren, in den Worten der Maestra selbst zu lesen, worum es ihr eigentlich geht.
Silvana Quattrocchi Montanaro – Das Kind verstehen
Silvana Quattrocchi Montanaro hat nicht nur einiges mit Maria Montessori gemein – beide waren sie Italienerinnen und beide Ärztinnen –, sie kommt indirekt auch aus deren Dunstkreis.
Als enge Mitarbeiterin von Gianna Gobbi, die ihrerseits Montessoris Schülerim war, arbeitete Montanaro schon wenige Jahre nach dem Tod der Gründerin in der Ausbildung von Montessori-Pädagoginnen. Dabei konnte sie als Psychiaterin sowohl eine eigene Perspektive einbringen als auch bereits vorhandene Erkenntnisse zur Entwicklung des Kindes vertiefen.
Diese reiche Erfahrung ist in Montanaros Buch eingeflossen, und ihr Anspruch ist um nichts geringer als der Titel verspricht. Ausgehend von Montessoris berühmter Aussage, das Kind sei ein Rätsel, versucht Montanaro die ersten drei Lebensjahre ab der Geburt sowie die Zeit der Schwangerschaft so zu erhellen, dass Eltern und ErzieherInnen das kleine Rätsel in ihrer Mitte ein wenig einsichtig wird.
Die ersten drei Lebensjahre hält Montanaro für die wichtigsten in der gesamten Entwicklung. Ausgehend von den neuesten Erkenntnissen aus Pädiatrie und Entwicklungspsychologie (Stand: Mitte der 1980er Jahre) erklärt sie die wichtigsten Bedürfnisse und Antriebe des Kindes bis ins Kleinkindalter.
Entwicklung und Erziehung von 0-3 Jahren
Wichtige Erkenntnisquellen, die bei Montessori selbst fehlen, etwa Forschungen zur Bindungstheorie, zur Rolle des Vaters und zur Neurophysiologie der ersten Lebensjahre. Montanaro geht dabei von einem enormen Potenzial an Intelligenz und sozialem Verhalten schon beim Neugeborenen aus. Mutter und Vater haben dabei – ganz im Sinne Montessoris – die Rolle, für ihr Kind eine soziale und räumliche Umgebung zu schaffen, in der es sich aus sich selbst heraus frei entfalten kann.
Das Buch richtet sich also bevorzugt an Eltern, aber auch an KleinkindpädagogInnen und ist dabei sowohl wissenschaftlich fundiert als auch klar und verständlich formuliert. Einzig bemängelt werden kann, dass natürlich nicht alle medizinischen Fakten auf dem neuesten Stand sind.
Jutta Bläsius – Montessori entdecken
Dieses bunte, vielseitig gestaltete Handbuch kann als zeitgemäße Ergänzung zu Montessoris eigenem Praxishandbuch gelesen werden.
150 Tipps für eine gut vorbereitete Umgebung mit dem jeweils passenden theoretischen Background helfen speziell Eltern, den großen Anspruch der Montessori-Pädagogik im Alltag gut umzusetzen.
150 Ideen und Impulse aus der Montessori-Pädagogik
Die Anregungen reichen von ganz alltäglichen Übungen wie Besteck sortieren über das berühmte Die-Jacke-Anziehen, wie es im Montessori-Kinderhaus praktiziert wird, bis hin zu komplexeren Arbeiten mit geometrischen Körpern.
Jutta Bläsius schreibt dabei mit viel Verständnis für den Familienalltag und seine Herausforderungen.
Heidi Maier – Lieben, Ermutigen, Loslassen
Dieser Ratgeber richtet sich ganz explizit auch an Eltern von etwas größeren Kindern und fokussiert dabei vor allem das Thema des Selbstständigwerdens.
Für Maier-Hauser ist die Ermutigung zur Unabhängigkeit das Erziehungsmittel der Wahl und sie legt in vielen Beispielen aus dem Erziehungsalltag dar, wie diese Ermutigung aussehen kann.
Die Schweizer Pädagogin rückt dabei den Fokus vor allem auf die Ausbildung von Selbstvertrauen und auf den intrinsischen Drang des Kindes, selbst tätig zu werden und früh aus der Abhängigkeit von den Eltern zu finden.
Selbstvertrauen fördern
Tatsächlich meint Maier-Hauser, dass viele Probleme mit Trotz und Streitbarkeit bei Kindern ‐ besonders bei sehr „verwöhnten“ – damit zusammenhängen, dass sie gerne mehr alleine schaffen würden, ihnen aber das Selbstvertrauen dazu fehlt.
Man kann ihr vorwerfen, dass die Förderung von Selbstständigkeit kein Allheilmittel bei Erziehungsproblemen aller Art sein kann. Oftmals hilft einem Kind nur das Gegenteil: Nähe und Unterstützung.
Doch die vielen praktischen Ratschläge sind eine hervorragende Unterstützung für Eltern, die sich durch häufige Konflikte mit ihrem Kind überfordert fühlen.
Ulrich Steenberg – Das Montessori-Elternbuch
Dieser schmale Herder-Band führt gekonnt in die Montessori-Pädagogik ein. Anstelle einer praktischen Anleitung will er aber viel mehr als (manchmal fast etwas provokante) Reflexionsgrundlage für Eltern dienen.
Durch gezielte Fragen an die Leserschaft will Ulrich Steenberg, der nicht nur Montessori-Pädagoge, sondern auch Theologe ist, besonders Eltern ihr Menschen- und Kindheitsbild bewusst machen.
Es scheint ein wenig so, als wollte er vor allem jenen Personen, die ihr Kind aus einem Leistungsgedanken heraus in eine Montessori-Einrichtung geben, ein wenig den Ehrgeiz nehmen.
Das ist ein durchaus vernünftiger Anspruch, wenn man sich vor Augen hält, dass „Montessori“ weniger eine Methode als vielmehr ein Menschenbild bedeutet, und zwar ein ziemlich revolutionäres – auch heute noch.
Dieses Buch ist genau richtig für dich, wenn du Montessori grundsätzlich toll findest, aber nicht genau weißt, was ihr pädagogischer Ansatz so alles mit sich bringt.
María Isabel Sánchez Vegara – Maria Montessori
So sehr Eltern in ihrer Überforderung auf gute Ratgeber angewiesen sind, darf in all dem Wirbel nicht auf die Hauptpersonen vergessen werden: die Kinder selbst.
Aus diesem kunst- und anspruchsvoll illustrierten Kinderbuch aus der Reihe „Little People – Big Dreams“ können sie ein wenig über die Dame lernen, nach der ihre Kindergärten, Schulen und Spielsachen benannt sind. Es zeigt über die sehr einfach und kurz erzählte Biografie Maria Montessoris, was das Besondere an ihr als Person und an ihren radikalen Ideen war.
Das soll für eine junge Leserschaft aber nicht nur historisch interessant sein.
Biographie Maria Montessoris als Comic
Das Bilderbuch kann vor allem anderen als Ausgangspunkt dienen, mit deinen Kindern gemeinsam euer Zusammenleben und euren Alltag zu reflektieren.
Denn setzt man Montessoris Gedanken konsequent fort, ist es ab einem bestimmten Alter auch wichtig, die Art und Weise der Erziehung von den Kindern überdenken und ehrlich beurteilen zu lassen. In Montessori-Schulen gibt es etwas Vergleichbares in Form eines Klassenrats oder ähnlicher Institutionen.
Zu Hause könnt ihr das regelmäßig oder auch einfach dann machen, wenn es sich gerade ergibt – z. B. angeregt von der Lektüre dieses Buches.
Worauf sollte man beim Kauf von Montessori-Literatur achten?
Zunächst ist es sinnvoll, ein wenig zum Autor oder zur Autorin zu recherchieren. Er oder sie sollte nicht nur einen pädagogischen, sondern wirklich einen Montessori-Hintergrund mit entsprechender Ausbildung haben.
Als nächstes gilt es – vielleicht mit Blick ins Inhaltsverzeichnis – zu eruieren, ob das Buch sich vor allem mit Themen beschäftigt, die auch für Montessori wichtig waren. Wenn der/die Autor/in Montessoris Erkenntnisse für das Familienleben modifiziert und dazu eigene Überlegungen einbringt, dann sollte er/sie diese auch kennzeichnen.
Konkret heißt das: Es gibt z. B. keine Empfehlungen von Maria Montessori zur Handhabung von Medienkonsum bei Kindern und solche Ratschläge dürfen auch nicht als „Montessori-Pädagogik“ geführt werden.
Behalte am besten auch immer im Hinterkopf, über welche Expertise Maria Montessori verfügte: Sie war Ärztin mit viel praktischer Erfahrung im Bereich der Lern- und Wahrnehmungspsychologie. Ihre Methoden dürfen also nicht als ganzheitliches Erziehungskonzept gewertet werden.
Ihr Menschenbild war sehr von ihrer Zeit geprägt und in ihren Schriften findet sich wenig bis gar nichts zum Stillen, zur Eltern-Kind-Bindung oder zu psychischen Problemen bei Kindern. Auch Montessori-Ratgeber sollten sich nicht zu intensiv zu diesen Themen äußern.
Zuletzt sollte ein guter Ratgeber auch dich als Mutter oder Vater ermutigen, „es selbst zu tun“. Zu strikte Vorgaben oder unbegründete Handlungsanweisungen hindern dich daran, eigenständig und souverän zu erziehen und sind deshalb kein Qualitätsmerkmal bei einem jeden Erziehungsratgeber.
Ist die Montessori-Pädagogik wirklich für zu Hause geeignet?
In aller Kürze: ja. Maria Montessori hat ihre Methode für Kinder entwickelt, die in sogenannten „Kinderhäusern“ leben sollten – also für die instutionelle Erziehung, wohlgemerkt von Kindern mit sogenannten „Lernschwierigkeiten“. Diese Kinder lebten rund um die Uhr in Heimen, Montessoris pädagogischer Ansatz richtet sich also an alle Bereiche des alltäglichen Lebens.
Tatsächlich wäre es also inkonsequent und vielleicht sogar kontraproduktiv, ein Kind in der Fremdbetreuung nach Montessori erziehen zu lassen, zu Hause aber einen völlig anderen Stil zu pflegen. Zudem beginnt dieser sehr distinkte Umgang mit dem Kind ja nicht plötzlich mit dem Eintritt in den Kindergarten, sondern idealerweise schon in den ersten Wochen nach der Geburt. (Allerdings ist es natürlich möglich, sich von der Montessori-Methode inspirieren zu lassen, wenn das Kind schon neun Monate oder sechs Jahre alt ist oder vielleicht schon kurz vor der Pubertät steht.)
In der Praxis zeigt sich auch hin und wieder, dass Kinder, die in Kindergarten oder Schule besonders zu Eigenständigkeit aufgerufen sind, zu Hause deutlich unselbstständiger agieren, sofern das von den Eltern akzeptiert wird.
Der Montessori-Stil kann und soll also auch innerhalb der Familie praktiziert werden, und zwar gerne in einem individuellen Ausmaß und mit einem kreativen Blick auf die Umsetzbarkeit. Für letztere sind dann Ratschläge von ausgebildeten PädagogInnen sehr hilfreich, wenn nicht unerlässlich.
Und genau deshalb gibt es so viel spannende Literatur, die sich dieser Herausforderung widmet.