Wann immer die Natur ihr Kleid wechselt oder im Jahreskreis etwas Besonderes ansteht, verändert er sich: Der Jahreszeitentisch, wie er in so vielen Kitas und Kindergärten genutzt wird.
In diesem Artikel erklären wir nicht nur, was ein Jahreszeitentisch eigentlich ist und wo er seine Ursprünge hat, sondern auch, wie ihr diese schöne Idee im Sinne der Montessori-Pädagogik daheim umsetzen könnt.
Was ist ein Jahreszeitentisch?
Ein Jahreszeitentisch ist ein Raum-Element, das häufig in der Reformpädagogik genutzt wird. Oft handelt es sich wirklich um einen kleinen Tisch, manchmal auch um ein Bord oder ein Schränkchen, das seinen festen Platz hat. Es wird je nach Jahreszeit und Zeitpunkt im Jahreskreis anders dekoriert.
Dazu werden oft Naturmaterialien, bunte Tücher, Püppchen, Tierfiguren u.ä. genutzt. Der Wechsel muss sich nicht an den vier Jahreszeiten (die ja ohnehin keine ganz natürliche Einteilung sind) orientieren. Der Jahreszeitentisch kann so oft verändert werden, wie es sich anbietet – wenn sich in der Natur etwas tut oder wenn eine Festlichkeit ansteht, wenn eine neue Idee aufkommt oder ihr neue Materialien entdeckt habt.
Oft wird aber ein bestimmter Rhythmus eingehalten, beispielsweise gibt es einmal im Monat oder alle sechs Wochen eine Umgestaltung.
Ist der Jahreszeitentisch ein Element der Montessori-Pädagogik?
Ursprünglich kommt der Jahreszeitentisch aus der Waldorf-Philosophie. Inzwischen wird er aber in vielen Familien und pädagogischen Einrichtungen genutzt, in denen Naturverbundenheit und ein gewisser Lebensrhythmus wichtige Werte sind.
Die große Stärke des Jahreszeitentischs ist dabei, dass er auch für sehr junge Kinder etwas anzeigt: Es tut sich etwas in unserem Leben, es gibt Veränderungen, es bleibt nicht alles gleich. Diese Veränderungen werden mit einer aufmerksam vorbereiteten Umgebung auf eine ganz ruhige, liebevolle Weise willkommen geheißen.
Wie kann ich einen Jahreszeitentisch im Montessori-Stil gestalten?
Die Ästhetik einer Umgebung nach Montessori zeichnet sich oft durch große Klarheit und sogar einen gewissen Minimalismus aus. Der Jahreszeitentisch kann diesen Stil aufnehmen und gleichzeitig ein spielerisches und kreatives Element im Raum darstellen.
Der wichtigste Grundsatz ist wohl, dass du den Jahreszeitentisch gemeinsam mit deinem Kind gestaltest, jedenfalls wenn es um den kreativen Part der Übung geht. Wenn du später weitere Materialien hinzufügen möchtest (sh. “Der erweiterte Jahreszeitentisch”) triffst du am besten eine Vorauswahl im Sinne der vorbereiteten Umgebung.
Der Jahreszeitentisch sollte dabei nie nur einen dekorativen Zweck haben, sondern auch zum Tätigwerden, Weitersuchen, -denken und -verstehen anregen.
Ein Jahreszeitentisch nach Waldorf ist oft mit Stoffpüppchen dekoriert, die eine (häufig märchenhafte) Geschichte erzählen. Diese Püppchen werden in einer Landschaft aus bunten Tüchern, Wurzeln und anderen Naturmaterialien aufgebaut. Oft finden auch Tierfiguren, Kerzen oder Dekoelemente aus Holz oder Filz einen Platz. Zumeist ist es erlaubt, dass die Kinder die Püppchen bewegen und eigene Bilder und Geschichten erfinden dürfen. Das ist eine sehr schöne und bei Kindern beliebte Möglichkeit, den Wechsel der Jahreszeiten und die Feste im Jahreskreis zu begehen.
Diese zauberhaften kleinen BewohnerInnen sollen einen vielschichtigen und künstlerischen Umgang mit dem Wechsel der Jahreszeiten anregen und dienen besonders kleineren Kindern aus Aufhänger, um überhaupt das Konzept des wiederkehrenden Wandels zu begreifen.
Maria Montessori selbst war nicht besonders angetan von Spielen und Geschichten mit fantasievollen Inhalten – in der Beziehung war sie sogar ein wenig apodiktisch. Es gibt aber keinen ernsthaften Grund, es damit so streng zu nehmen. Natürlich dürfen auch Puppen und fantastische Spielwelten einen Platz im Leben deines Kindes haben – und auf eurem Jahreszeitentisch.
Doch andererseits kann man dem Jahreszeitentisch mit Montessori ein wenig “auf den Boden der Tatsachen holen” und ihm einen realistischen Anstrich geben. Dazu folgende Anregungen:
- Die Nutzung der Naturmaterialien orientiert sich am besten daran, was gerade draußen vor sich geht. Das bedarf oft einer sehr genauen Beobachtung und ist deshalb eine ideale Übung, die einen Spaziergang in der Natur mit einem Auftrag verknüpft: Wie können wir den Jahreszeitentisch mit dem in Verbindung bringen, was uns draußen begegnet?
- Diese Fundstücke aus der Natur können dann sorgfältig ausgelegt und aufgestellt werden. Dabei gilt: optische Klarheit geht vor.
Der Jahreszeitentisch verbindet am besten kreative Freiheit mit einer gewissen Struktur. Das kann gelingen, indem ihr z.B. kleine Schüsselchen oder Körbe nutzt, um Materialien zu sammeln, oder die Anzahl der verschiedenen Elemente begrenzt. - Besonders bei etwas älteren Kindern bietet es sich an, die Gestaltung dieser Naturmaterialien ganz bewusst anzugehen. Das Blumenarrangement ist eine ganz typische Montessori-Aktivität, die den Geschmack und den achtsamen Umgang mit den Gaben der Natur schult. Auch für recht kleine Kinder ist es eine wertvolle Übung des praktischen Lebens.
- Wenn die natürliche Grundlage geschaffen ist, könnt ihr nach eurem eigenen Geschmack weiter dekorieren: Mit Figuren von Tieren, die in dieser Jahreszeit besonders “prominent” unterwegs sind oder die ihr beobachten konntet, mit Bildern oder Postkarten, deren Motiv zur Jahreszeit passt, etc.
Grundmaterialien für den Jahreszeitentisch
Ganz wichtig für die Gestaltung des Jahreszeitentischs ist ein guter Platz im Raum. Er soll gut sichtbar und nicht “versteckt”, gleichzeitig aber auch nicht zu zentral sein. Am besten ist er etwa auf Augenhöhe des Kindes platziert.
Wenn ihr euch für ein Jahreszeiten-Bord oder -Regal entschieden habt, dann ist der eigentliche Jahreszeitentisch sozusagen das Herzstück dieses Konglomerats. Die zusätzlichen Materialien sind rund um den Jahreszeitentisch oder am Regalbrett darunter organisiert.
Das Grundgerüst für den Jahreszeitentisch
Häufig wird für den Jahreszeitentisch so etwas wie eine kleine “Bühne” genutzt, auf der die Jahreszeiten ihre Geschichten aufführen dürfen. Es handelt sich dabei oft um eine runde oder ovale Holzplatte und eine Bogenstruktur, die zum Drapieren von Pflanzenteilen oder Tüchern dient.
Der Jahreszeitentisch von Besonderlich kombiniert diese beiden Elemente aus sorgfältig geschreinertem Holz mit verschiedenen Dekosets, die jeweils zu einer bestimmten Jahreszeit oder einem bestimmten Anlass passen.
Der Bogen ist mit runden Löchern versehen, durch die ein Spieltuch oder eine Blumengirlande gezogen werden kann, was dem Ganzen eine besonders raffinierte Optik verleiht.
Ganz pur kommt dagegen der Jahreszeitentisch Scandi von Livemoresimply daher.
Zum Basis-Set gehören neben einem zarten Holzbogen nur ein Reagenzglas für Blümchen oder Gräser, eine Kerzentülle und zwei stilisierte Hausfassaden in blau und grau. Vor diesem Hintergrund darf sich dann das Jahreszeitentheater abspielen.
Alternativ wird immer häufiger ein “Jahreszeitenhaus” genutzt:
Hierbei kommt ein aufhängbares Regal in Hausform zum Einsatz, wobei jeder einzelne Raum einen bestimmten Aspekt der aktuellen Jahreszeit beherbergen darf.
Die dekorative Grundausstattung für den Jahreszeitentisch
Wo schon längere Zeit ein Jahreszeitentisch gepflegt wird, gibt es bald Lieblingsgestalten, deren Wiederkehr sehnsüchtig erwartet wird: Frau Holle oder die herbstlichen Waldwichtel. Die nachhaltigste und einfachste Art, den Jahreszeitentisch zu dekorieren besteht aber in einer kleinen Auswahl vielseitig verwendbarer Stücke.
Liebevoll geschnitzte Holztiere können euer Miniaturparadies ja das ganze Jahr über bewohnen – notfalls eben in einer Höhle zum Winterschlaf.
Hier haben einige schöne für Euch ausgewählt:
Die wunderschön geschnitzten und liebevoll bemalten Waldtiere von VulpsToys. Sie sind aus Ahorn-Holz und wurden mit zertifizierter ungiftiger Wasserfarbe bemalt und durch reines Leinöl geschützt. Einziges Manko: Die hohen Versandkosten. 🙁
Wer mehr „alltägliche“ Tiere möchte, dem können wir, ebenfalls von VulpsToys, die liebevoll gefertigten Bauernhof-Tiere empfehlen. Aber auch hier der Hinweis auf die (leider!) sehr hohen Versandkosten.
Etwas weniger farbenfroh, aber nicht weniger schöne Waldtiere aus Eichenholz gibt es von WoodworkLoveShop. Diese Tiere können aber versandkostenfrei bestellt werden!
Wer es noch etwas schlichter mag, der kann auch auf diese unbemalten Holztiere zurückgreifen. Hier eignen sich die schlichten Schönheiten von WoodpeckerForKids.
Abschließend haben wir Euch noch ein paar exotische Tiere herausgesucht. Diese Tiere sind etwas größer, dafür dann auch im Preis etwas höher. Man hat die Wahl zwischen 5 Tieren im „Basic Set“ bzw. 11 Tieren im „Full Set“
Aber auch die Klassiker von Schleich erfüllen ihren Zweck und sind ihren tierischen Vorbildern zudem fast perfekt nachempfunden. Auswahl an Schleich-Tieren findet ihr hier.
Ein kleiner Grundstock an Figuren gehört natürlich zum Inventar der Jahreszeiten-Bastler und -Bastlerinnen. Eine Alternative zu den klassischen Filzpüppchen, die ja doch recht teuer ausfallen können, sind die bunten Peg-Puppen die so oft in Montessori-Einrichtungen zum Einsatz kommen.
Diese farbenfrohen Bewohner beleben den Jahreszeitentisch und die passenden kleinen Schalen können verschiedene Naturmaterialien fassen.
Wenn dein Kind und du gerne gemeinsam bastelt und werkelt, seid ihr vielleicht am besten mit ganz neutralen Kegelfiguren bedient, denen ihr je nach Jahreszeit ein neues Gewand aus Stoff und Farbe verleihen könnt.
Dazu darf in einem vielseitigen Jahreszeiten-Sortiment Folgendes nichts fehlen:
- Bunte Textilien in verschiedenen Größen, am besten aus dünner Baumwolle oder Seide, wie etwa diese GOTS-zertifizierten Spieltücher von Hans Natur (findet ihr hier)
- Hölzerne, tönerne oder metallene Schalen in verschiedenen Größen, die sowohl zur Aufbewahrung (etwa von Kastanien, Tannenzapfen oder Haselnüssen) als auch zum Arrangieren verschiedener Materialien dienen. Auch kleine Körbe können denselben Zweck erfüllen.
- Kerzen für die Gelegenheiten im Jahr, die nach ein wenig stimmungsvollem Licht verlangen. Hier ist besondere Vorsicht im Umgang mit dem Feuer wichtig. Idealerweise bestehen die Kerzen aus schadstofffreiem Bienen- oder Sojawachs.
- Einige Vasen aus farblosem Glas oder auch aus Holz sind für Blumensträuße oder getrocknete Pflanzen gedacht.
- Bei den verwendeten Naturmaterialien darf genutzt werden, was gefällt und was ohne großes Aufhebens aus Wald und Wiese mitgenommen werden kann. Besonders beliebt sind Wurzeln und schön geformte Holzstücke, Baumrinde, Moos, Tannen- und andere Nadelbaumzapfen, blühende Zweige, Eicheln, Kastanien, Herbstblätter, Zierkürbisse und natürlich Blumen aller Art.
- Bei Jahreszeitentischen kommen auch oft kleine Kartenständer (solche zum Beispiel) zum Einsatz, in denen Fotos, Postkarten und Bildkarten befestigt werden können, die inhaltlich zur Jahreszeit passen. Ein Buchständer kann genutzt werden, um eine bestimmte Seite aus einem Buch zu präsentieren, die sich vielleicht mit einem jahreszeitsspezifischen Thema auseinandersetzt.
Der erweiterte Jahreszeitentisch
Der Jahreszeitentisch braucht bekanntlich einen festen Platz, an dem er gut sichtbar und erreichbar ist. Das ist oftmals ein kleines Tischchen oder ein einzelnes Bord. Viele Eltern oder PädagogInnen, die bei der Gestaltung Montessori im Hinterkopf haben, erweitern den Jahreszeitentisch um zusätzliche Elemente. Er hat dann nicht mehr nur einen ästhetischen Zweck, sondern gibt das Thema für eine kleine Materialiensammlung vor, die in einem niedrigen Montessori Regal Platz findet.
So wird ein Jahreszeitentisch im Frühlingsgewand zum Beispiel von einer kleinen Auswahl thematisch passender Büchern ergänzt. Dazu gibt es eine Aktivität, die das Wachstum der Pflanzen im Frühjahr veranschaulicht (etwa ein “Lebenskreislauf”). Womöglich können sogar kleine Pflanztöpfchen mit Frühlingsblumen zu einem Anzuchtprojekt genutzt werden, wenn der Jahreszeitentisch über ein sonniges Plätzchen verfügt.
Der Jahreszeitentisch wird so zu einem Element in eurem Zuhause, das zum Nachdenken, Beobachten und Tätigwerden einlädt. Er vermittelt den Rhythmus der Jahreszeiten als etwas, mit dem es sich auseinanderzusetzen gilt. Damit hat er eine ganz sinnliche Funktion, genügt aber auch den Ansprüchen der Kosmischen Erziehung und vermittelt deinem Kind: Der Jahreskreis umfasst und beeinflusst das Leben von Pflanzen, Tieren und Menschen, auch dein eigenes. Je tiefer du diesen Rhythmus begreifst, umso eher kannst du dich in der Welt zu Hause fühlen.
Folgende Elemente sind für den erweiterten Jahreszeitentisch besonders wertvoll:
- Eine kleine, feine Auswahl an Büchern, die zur Jahreszeit passen. Am besten ist eine Mischung aus Geschichte mit literarischer Qualität und hochwertigen Illustrationen einerseits und aus fundierten Sachbüchern andererseits.
- Zwei bis drei Aktivitäten, die zur theoretischen Auseinandersetzung mit den Vorkommnissen in dieser Jahreszeit anregen, sowohl naturwissenschaftlich als auch kulturgeschichtlich, wenn es etwa um Feste im Jahreskreis und ihre Bedeutung geht. Dabei kann es um das Erkennen von Tierspuren im Schnee ebenso gehen wie um den Aufbau der Pflanzen oder das Ökosystem Wald und seine Bedeutung.
- Einige Materialien, die einen kreativen und ästhetischen Umgang mit dem Rhythmus der Natur anregen. Natürlich ist auch die Dekoration des Jahreszeitentisches selbst eine Übung in geschmackvoller Gestaltung. Vielleicht möchte dein Kind aber auch kleine Kunstwerke aus den Dingen legen, die ihr draußen gefunden habt.
- Eine Aktivität, die die Vorgänge in der Natur direkt veranschaulicht (etwa das Ziehen von Pflänzchen, das “Sezieren” einer Rosskastanie oder das Pressen und Trocknen von Wiesenblumen, das Trocknen und Aufbewahren von Heilkräutern). Eine Grundausstattung wie eine Lupe und eine Blumenpresse können fester Bestandteil des Jahreszeitentischs sein.